Photo credit: Max Sullivan
19.03.2023
Prolog – 27 km / 750 hm
Taktisch oder Vollgas ?
Bereits eine Woche vor dem Start des Cape Epic‘s fragten Kim und ich uns, wie wir den Prolog angehen sollen. Vollgas? Oder vielleicht doch nicht zu viel Energie verpuffen? Schlussendlich haben wir uns an Annika Langvads (4-malige Siegerin des Cape Epic) Worte gehalten. «Einen Prolog fährt man immer so schnell man kann.»
Ohne an die bevorstehenden sieben Etappen zu denken, fuhren wir dann die 27 km und 750 hm so schnell es ging. Im Ziel fehlten uns leider winzige 7 Sekunden für den Auftaktsieg und damit auch fürs Leadertrikot, doch damit waren wir sehr zufrieden. Schliesslich erhielten wir mit unserem Einstand das nötige Selbstvertrauen und die Gewissheit, dass wir mit den besten Fahrerinnen mithalten können.
20.03.2023
Etappe 1 – 98 km / 2450 hm
Der Wind, der Wind…
«be prepared for the unprepared»
Die Auftakt Etappe ist beim Cape Epic berüchtigt und gilt meistens als besonders schwer. Die Gegend um Hermanus kannte ich von den Vorjahren bereits gut und ich wusste: Es wird nicht nur von den Eckdaten her eine harte Etappe! Auch der Wind mit Böenspitzen von bis zu 70 km/h brachte weitere Schwierigkeiten mit sich. Bereits früh in der Etappe waren wir im Hintertreffen, denn nach einem Positionskampf vor dem ersten Singletrail landete ich auf dem Boden und wir verloren Anschluss an die beiden Spitzenteams. Wir versuchten ruhig zu bleiben und konzentrierten uns im weiteren Verlauf auf unser eigenes Tempo. Gegen Ende der Etappe kämpfte dann Kim auch noch mit Krämpfen und so wurde es ein langer und einsamer Tag, an dem wir vom starken Wind des Öfteren beinahe von den Trails geblasen wurden. Die Zeiteinbusse hielt sich am Ende zum Glück in Grenzen und wir blickten zuversichtlich auf die zweite Etappe.
21.03.2023
Etappe 2 – 116 km / 1680 hm
Erster Etappensieg
Mut zum Risiko
Die längste Etappe lag vor uns. Da wir in der Gesamtwertung auf den 3ten Rang hinunter gerutscht sind, starteten wird am Anfang etwas konservativ. Nach den ersten 30 flachen Kilometern bildete sich dann eine Spitzengruppe mit den ersten drei Teams. Die beiden langen Anstiege des Tages kannte ich von einem Rennen, welches ich drei Wochen vor dem Cape Epic gefahren bin. Überhaupt bestand der ganze Mittelteil der Etappe überwiegend aus Singleltracks, wo überholen kaum möglich ist. Die Gesamtzweiten erwischten offensichtlich einen guten Tag und kontrollierten das Rennen vehement von der Spitze, wobei uns mangels Überholmöglichkeiten keine Chance für eine Attacke blieb. So blieb die Entscheidung für den Etappensieg bis zu den letzten 15 km offen. Kurz vor dem Ende war es dann das Team Specialized, welches das Tempo erhöhte und damit das Finale einläutete. Das Leaderteam hatte offensichtlich kein Interesse am Etappensieg und hielt sich aus den Positionskämpfen raus, aber Kim und ich wollten diese Etappe unbedingt gewinnen. Schliesslich waren wir noch nie so nah an einem Cape Epic Etappensieg dran.
Bei einer entscheidenden Passage, nur wenige Kilometer vor dem Ziel, fuhr ich vorne. Die Fahrerin hinter mir musste absteigen und ihr Fahrrad ein paar Meter schieben. Diese Chance liess ich mir natürlich nicht nehmen und platzierte eine Attacke. Dies auch weil ich wusste, dass Kim am Ende nur noch eine der beiden Fahrerinnen im Sprint würde schlagen müsste, was die Situation vereinfachte. Das einzige Problem war, dass ich nicht genau wusste, wie weit es noch bis zum Ziel war. Nach einer Weile Vollgas an der Spitze fahrend, kam dann endlich die Kilometeranzeige. Ich erschrak ob den immer noch endlos dauernden 5 km bis ins Ziel, zog aber meine Attacke durch. Am Schluss retteten wir einen knappen Vorsprung von 4 Sekunden über die Ziellinie und feierten unseren ersten Etappensieg.
22.03.2023
Etappe 3 – 100 km / 2300 hm
Warum tue ich mir das an?
Mentale Herausforderungen überwinden
Der dritte Tag führte uns von Hermanus nach Grabouw. Obwohl das Profil mit genug Höhenmetern gespickt war, versprach ich mir eine leichtere Etappe mit der ein oder anderen breiten «Kiesstrasse». Meine Hausaufgaben hatte ich wohl nicht gut gemacht, denn gefühlt waren wir den ganzen Tag auf Singletrails unterwegs. Grundsätzlich macht das ja sehr viel Spass, doch wenn die Beine nicht so richtig drehen und die Energie fehlt, will man einfach nur vorwärts kommen und das tut man auf den Trails nur sehr langsam und mit viel Kraft.
Irgendwie schaffte ich es heute ins Ziel. Etliche Male fragte ich mich, warum tue ich mir das überhaupt an? Muss man wirklich immer so leiden? Es ist erstaunlich wie man sich quälen muss, wenn es im Kopf nicht stimmt. Zum Glück hatte ich eine super Partnerin, die mir gut zusprach und mir im starken Gegenwind den Wind aus dem Gesicht hielt. Heute reichte es «nur» für Rang drei und in der Gesamtwertung verloren wir weitere wertvolle Minuten auf die beiden Teams vor uns.
23.03.2023
Etappe 4 – 46 km / 980 hm
Geburtstagsgeschenk
Energy management is key
Über diese Etappe hatten Kim und ich schon Monate im Voraus gesprochen. Da heute Kims Geburtstag war, war auch das Ziel klar. Sie wollte einen Etappensieg zu ihrem Geburtstag. Da jedoch ein Zeitfahren auf dem Programm stand, musste ich mich auf «viel Leiden» einstellen. Nach 18 gefahrenen Kilometern bekamen wir einen ersten Zeitabstand zu unserer Konkurrenz – 1 Minute in Führung! Ich schaute Kim an und fragte, «ist das überhaupt möglich?» Schliesslich waren wir an den letzten Etappen immer das schwächste Team von den Top 3 gewesen. Doch es sah ganz danach aus, als würden die anderen beiden Teams für die hohen Kräfteeinsatz der Vortage Rechnung zahlen. Ich gab alles, was ich hatte. Schliesslich wollte ich Kim mit ein schönes Geburtstagsgeschenk bescheren. Es zahlte sich aus, wir feierten Etappensieg Nr. 2! Nicht nur das, wir machten auch noch knapp 3 Minuten auf die Gesamtführenden und deren 5 Minuten auf die Zweitplatzierten gut. Doch, wieviel Kraft hatten wir damit verpufft? Es standen ja noch 3 lange Etappen vor uns…
24.03.2023
Etappe 5 – 102 km / 2450 hm
Königsetappe
Unbändiger Wille und mentale Stärke
Da der Startschuss jeweils um 7 Uhr morgens ist, heisst es auch um 19.30 Uhr ab ins Bett. Schlaf ist einer der wichtigsten Faktoren für die Erholung (abgesehen vom SPONSER Regishake😉). Wirklich tief schlafen kann man aber nach ein paar Tagen nicht mehr so gut, dafür ist der Körper viel zu aufgedreht und erschöpft. Der leichte Schlaf führte dazu, dass ich die ganze Nacht den Regen hörte, welcher auf mein Chaledach prasselte. Grundsätzlich fahre ich gerne im Regen, denn am Ende ist es eine Einstellungssache. Wenn alle anderen keinen Bock haben im Regen zu fahren und ich es mag, dann habe ich bereits einen entscheidenden Vorteil. Einzig das Material tut mir dann jeweils etwas Leid…
So starteten wir die auf dem Papier anspruchsvollste Etappe tatsächlich im Nieselregen. Es sah aber danach aus, als wäre der meiste Regen bereits in der Nacht herunter gekommen und es würde im Laufe des Tages aufhören zu regnen. Dies war dann auch der Fall, trocken blieb es aber trotzdem nicht. Am ersten langen Anstieg fuhr ich an zweiter Stelle durch ein riesiges Wasserloch. Es war tiefer als erwartet und die Fahrerin vor mir wurde etwas langsamer und ich musste auch auf die Bremse gehen. Die Fahrerin hinter mir reagierte leider nicht schnell genug und krachte in mein Hinterrad. Ich kippte vom Fahrrad, schwamm eine Runde im Matschloch und bemerkte beim Weiterfahren, dass abermals mein BOA Verschluss am Schuh fehlte. Ich versuchte das Problem mit Panzertape zu lösen, was bei den nassen Bedingungen allerdings fast unmöglich war. Bis ich den Schuh endlich einigermaßen fixieren konnte, wurde ich bereits vom gesamten Frauenfeld überholt. Kim wartete etwas weiter oben am Berg und sah mich etwas fragend an. Ich zeigte ihr ein «Thumbs up» und weiter ging die Fahrt. Anschliessend mussten wir uns dann bei allen anderen Frauenteams vorbeischlängeln, ehe wir etwas weiter oben am Berg dann zu den zweit und viert klassierten Teams aufschliessen konnten. Das Leadertrikot war bereits in den Wolken verschwunden. Wir fuhren unser Tempo weiter und dies war dann hoch genug, dass wir Specialized (2.) und Cannondale (4.) auch gleich distanzieren konnten. Ich war überrascht und freute mich über meine guten Beine. Nach ein paar weiteren Minuten stellten wir auch das Leaderteam und auch dieses konnte unserem Tempo nicht lange folgen. Da ich in der Vergangenheit meistens diejenige war, die am Berg stehen gelassen wurde, war das für mich ein tolles Gefühl. Endlich konnte ich den anderen mal weg fahren!
Oben am ersten Berg mussten Kim und ich nochmal kurz anhalten. Durch die ganzen Wasserpfützen und Bäche (die Trails hoch und runter konnte man vor lauter Wasser kaum sehen), hatte sich das Panzertape an meinem Schuh gelöst und somit hatte ich wieder einen losen Schuh am Fuss. Wir entschlossen uns, das Problem mit Kabelbinder zu lösen. Diese sollte das Wasser nicht auflösen. Das Problem war nur, die Kabelbinder mit nassen und dreckigen Händen festzuziehen. So musste Kim es mit ihren Zähnen versuchen und Teamwork war gefragt! Leider holte uns bei dieser Aktion wieder das Führende Team ein. Doch kein Problem, auch am nächsten langen Anstieg, dem berüchtigten Groenlandberg, konnten unsere Begleiter nicht mehr mithalten und mussten uns ziehen lassen.
Den Rest der Etappe fuhren wir mit einem sicheren Tempo die Berge runter und hielten es auch an den Anstiegen hoch. Die Sonne zeigte sich tatsächlich gegen Ende auch noch und so wurde es trotz heftigem Wind doch noch zu einem angenehmen Tag. Die letzten 20 flachen Kilometer gaben wir nochmal richtig Gas und so konnten wir auch die Königsetappe für uns entscheiden. Mit 2.5 Minuten Vorsprung auf das Leadertrikot und einem noch viel grösseren Vorsprung auf Specialized rutschten wir in der Gesamtwertung einen Rang nach oben!
25.03.2023
Etappe 6 – 74 km / 2300 hm
Schlammschlacht
Das Glück erzwungen
Diese Etappe wird wohl kein Cape Epic Teilnehmer so schnell vergessen! Der Regen vom Vortag setzte am Abend wieder ein und wollte einfach nicht mehr aufhören und so starteten wir die Etappe bereits im strömenden Regen. Im Vergleich zu gestern, wo es hauptsächlich Steine und Sand gab, gab es heute viel Schlamm und Lehm. Kim und ich hatten uns viel vorgenommen. Das führende Team hatte bereits gestern Schwäche gezeigt und somit sahen wir in den letzten beiden Etappen unsere Chance, Zeit in der Gesamtwertung aufzuholen und eventuell sogar in das orangene Leadertrikots schlüpfen zu dürfen.
Die Etappe startete mit einem langen Berg und wir hielten das Tempo relativ hoch. So hoch, wie die müden Beine es noch erlaubten. Oben am Berg angekommen waren nur noch Candice und Amy, die aktuellen Leader, an unserem Hinterrad. Amy hatte jedoch Mühe und Candice musste immer wieder ihren magischen Arm ausstrecken und Amy einen kleinen Schups geben, damit sie den Anschluss zu uns nicht verlieren würde. Am zweiten Berg fuhren wir über eine Wasserrille und hörten plötzlich einen Knall. Ich fuhr zuvorderst und schaute schnell zurück. Kim direkt an meinem Hinterrad sah mich ebenfalls fragend an. Hinter ihr sah ich, wie Amy vom Fahrrad stieg. Wir fuhren unser Tempo weiter bis in die 11 km entfernte Tech-Zone, wo unsere Betreuer uns neue Flaschen gaben und uns mitteilten, dass Amy auf ihrer Felge fährt. In diesem Moment wurde mir klar, dass sie ein grösseres Problem haben und wahrscheinlich viel Zeit verlieren würden. Kim und ich ahnten unsere Chance und fuhren so hart es im Schlamm ging die Berge hoch. Bergab nahmen wir uns etwas mehr Zeit, um keinen Fahrfehler zu machen und das Risiko von Stürzen und mechanischen Problemen zu minimieren. Im Ziel angekommen waren wir fix und fertig. Die Konditionen haben alles aus uns herausgesaugt, wir konnten vom ganzen Sand in unseren Augen nichts mehr sehen und wir waren von oben bis unten mit Schlamm bedeckt.
Die Uhr tickte und wir zählten die Minuten… Wie viel Zeit hatten wir gut gemacht? Am Anfang der Etappe fehlten uns knapp 14 Minuten auf die Führung. Unsere Betreuer waren bereits komplett aus dem Häuschen, denn sie wussten wohl mehr als wir. Und tatsächlich, es reichte! Neben dem Etappensieg schlüpften wir ins orangene Leadertrikot. Natürlich hätten wir die Zeit lieber gut gemacht, indem wir einfach stärker gewesen wären, aber leider gehören Stürze und Pannen genauso zu diesem Rennen wie gute und schlechte Beine.
26.03.2023
Etappe 7 – 78 km / 1800 hm
Grandfinale
Grösster Erfolg unserer Karriere
Wir starteten den letzten Tag in Orange und unser Vorsprung war so gross, dass wir «nur» heile ins Ziel kommen musste. Am Morgen vor der Etappe waren wir dann beide schrecklich nervös, denn es entfernten uns «nur» noch 78 km vom Gesamtsieg des Cape Epic’s und dem damit grössten Erfolg unserer Karrieren! Doch zum Glück drehten die Beine auch heute erstaunlich gut. Unser Ziel «heil anzukommen» konnten wir einwandfrei umsetzen. Auf den letzten coolen Trails versuchten wir keine Dummheiten mehr zu machen und fuhren einfach nur sauber und immer schön dem Cannondale Team hinterher. Dieses witterte ihren ersten Etappensieg, welchen wir ihnen zum Schluss auch gönnten. So liessen wir das Cannondale Team beim letzten Kilometer ziehen und genossen den Zieleinlauf vor einer unglaublichen Zuschauerkulisse in vollen Zügen. Wir haben es tatsächlich geschafft und das Cape Epic 2023 gewonnen!
Vera Looser (Adrian)
Winner Cape Epic 2023